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22. Juli 2006

Tomatenfest 2006

Von Archibald Kleinau. Kaiserwetter, immer so um 30 Grad im Schatten. Eigentlich sind das die Temperaturen, die Tomaten benötigen, um reif und lecker zu werden, auch wenn die Menschen vielfach unter der großen Hitze leiden. Heute ist also die Gelegenheit in die tieferen Geheimnisse des Tomatenanbaus eingeweiht zu werden. Außerdem: Anbau ist nicht gleich Anbau. Bei Sannmanns werden alle Gemüsesorten und Kräuter biologisch-dynamisch gezogen.

»Der Bio-Gärtnerhof liegt im idyllisch anmutenden Ochsenwerder« An reetgedeckten Bauernhäusern in landwirtschaftlichem Umfeld, Badeseen und Gewächshäusern vorbeifahrend, ist die Großstadt Hamburg mit ihrem umtriebigen Getöse mit einem Mal nicht mehr spürbar, obwohl Ochsenwerder auch zu dieser Metropole gehört.

Und da ist es auch schon: Das Wohn- und Wirtschaftsgebäude ist etwas tiefer gelegen, direkt an der Deichstraße. Links davon erstreckt sich ein kleiner See mit Steg und Booten, einigen Badenden am gegenüberliegenden Ufer, eine wahrlich sommerlich anmutende Szenerie.

Der Wirtschaftraum ist "tomatig" dekoriert. Rot dominiert, ob in Kisten liebevoll ausgelegt oder als Kostproben dargereicht, ob als Pizza oder Suppe, hier spielt die Tomate heute die Hauptrolle, obwohl auch viele andere Gemüsesorten angebaut und angeboten werden.

Thomas Sannmann ist hier der Chef von ca. 20 Mitarbeitern. Vor 18 Jahren übernahm er den elterlichen Betrieb und stellte auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um. Und man merkt sofort, dass alle hier an einem Strang ziehen. Anders würde es auch gar nicht funktionieren.

»Hinter dem Begriff biologisch-dynamisch verbirgt sich mehr als nur gift- und kunstdüngerfrei« Im Handel steht die Marke "Demeter" für auf diese Weise erzeugte Waren. Hier geht es um die Produktion von Lebensmitteln, (im Gegensatz zu Nahrungsmitteln) die im Einklang mit dem Kosmos und seiner wirkenden Kräfte steht.

Wie das in der Praxis angegangen wird, erklären der Betriebsleiter und sein Meister Torsten Keil ausgesprochen anschaulich und eine Führung über das Betriebsgelände, durch die Gewächshäuser ins Freiland macht manches deutlicher als es theoretische Erklärungen je vermögen. Die erste Gruppe mit ungefähr 25 Teilnehmern setzt sich zum Hintertor hinaus in Bewegung und wird sogleich von intensivem frischem Kräuterduft umwölkt. Lavendel, Rosmarin und Thymian stehen gleich zu Beginn der Route in langen Reihen im Freiland und sorgen so für eine sinnliche Einstimmung der allerbesten Art.

Der Weg führt vorbei an drei Ziegen im Gehege die wohl in Erwartung einer Leckerei ihre Mäuler durch den Maschendraht stecken. "Die Ziegen haben wir eigentlich mehr für unsere Kinder", erklärt Herr Sannmann, "aber unsere Rinderherde die wir hier halten, liefert uns den so wichtigen Rinderdung für unseren biologisch-dynamischen Kompost. Auf der gegenüberliegenden Seite des Deiches bei dem Parkplatz kann man sie sehen. Vor drei Tagen ist ein Kälbchen geboren worden. Wer möchte soll sich das gerne mal anschauen."

Mittlerweile ist der Tross bei den Gewächshäusern angekommen. Vor dem Eingang sitzt ein freundlicher Herr im besten Alter hinter einem Tisch. Ein Sonnenschirm spendet etwas Schatten. Vor ihm liegen sauber gestapelt kleine Körbe. »Jeder der mag kann hier zu günstigen Preisen selbst ernten« "Jeder der mag kann hier zu günstigen Preisen selbst ernten", erläutert Thomas Sannmann. "Dafür stehen diese Körbe zur Verfügung und das Geerntete kann dann hier bei meinem Schwiegervater abgerechnet werden." Einige der Besucher ergreifen sofort die Gelegenheit und bewaffnen sich mit einem Korb.

Und schon zieht die Karawane weiter in das erste der Glashäuser. Was sofort auffällt ist die etwas kühlere Temperatur innen. Auf diesen Umstand angesprochen erklärt der Gärtnermeister: "Wir besprühen die Glasscheiben mit einer Flüssigkeit aus Kalk und Milch. Das gibt den Pflanzen Schatten, denn zu große Hitze ist sehr viel Stress, die Früchte bilden dann braune, wie verbrannt aussehende Flecken. Und der Geschmack leidet darunter. Hier drinnen sind jetzt 28, draußen 34 Grad." Eine Besucherin bestätigt diese Erfahrung aus eigenem Erleben. Die ungewöhnlich lange Sonnenbestrahlung dieses Sommers hat den Tomaten in ihrem heimischen Garten wohl arg zugesetzt.

Inzwischen bewegt sich die Gruppe durch das Tomatenparadies des Gärtnerhofs. Links und rechts stehen, nein besser, hängen die Pflanzen angebunden an einem in etwa zwei Meter Höhe verlaufenden Gestänge. Das ist eine Besonderheit, die selbst eingefleischten Hobbygärtnern neu ist. Im März werden die Setzlinge in das Erdreich gebracht. Der Pflanzenstamm wird dann in dem warmen Gewächshausklima immer wieder von Seitentrieben befreit, so dass sich die Hauptkraft in die Ausbildung des Stammes richten kann. So werden die Pflanzen in relativ kurzer Zeit mehrere Meter lang und können am belaubten Ende hochgebunden werden. Das ist sowohl Platz sparend als auch pflegeleichter und bequemer zu beernten.

»In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft spielt guter Dünger eine ausgesprochen wichtige Rolle« "In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft spielt guter Dünger eine ausgesprochen wichtige Rolle", erklärt Herr Sannmann während er ein wenig Erdreich in die Hand nimmt und es durch die Finger rieseln lässt. "Er wird ein Kompost aus Pflanzenresten, Rinderdung, Erde und Hornspänen hergestellt und mit speziellen Präparaten versetzt. Diese Mischung wird auf das Erdreich aufgebracht, denn dort ist Nährstoffverwertung für die Pflanze optimal."

"Warum gerade Rinderdung?" lautet eine Frage. "Nun, das Verdauungssystem der Rinder ist sehr komplex, so dass man sagen kann, der Lebenszweck der Rinder ist eigentlich zu verdauen, sie sind ja Wiederkäuer. Das gefressene Gras geht durch mehrere Mägen und wird somit in außergewöhnlichem Umfang erschlossen, so dass auch die Ausscheidungen eine besondere Qualität aufweisen. Dieses Wissen kann in den Schriften und Vorträgen Rudolf Steiners nachgelesen werden."

Der Versuchung, eine der köstlich aussehenden Tomaten, welche zudem noch in Kopfhöhe gewissermaßen mundgerecht am Strauch hängen, hier sofort zu kosten, widerstehen nur wenige. Das Aroma, der Geschmack und das Aussehen werden gewürdigt und der Vergleich mit "normalen" Tomaten angestellt. "Wenn alle Verbraucher wüssten", erzählt eine Dame, "wie es im so genannten konventionellen Landbau zugeht..., da werden die Tomaten auf Wattenährboden gezogen, flüssig versorgt mit den "nötigen" Nährstoffen und auch anderen Substanzen, welche die Geschmacksrichtung bestimmen. »Und mittels der Gentechnik gibt es wohl auch irgendwann die Tomate die nach Banane schmeckt.« Und mittels der Gentechnik gibt es wohl auch irgendwann die Tomate die nach Banane schmeckt."

Der Gärtnerhof Sannmann arbeitet teilweise schon mit Saaten aus biologisch-dynamischer Herstellung. Ein Teil kommt aus eigener Produktion. "Das ist sehr wichtig", erläutert Thomas Sannmann, "wenn man auch zukünftig den Menschen kräftigende Früchte essen will. Durch Selbstversorgung mit Saaten sichert man Sortenvielfalt und macht sich unabhängig." Im Mittelgang steht auf Kniehöhe ein kleiner Kasten, etwa 20 x 20 x 20 cm groß. Durch eine kleine Öffnung an der Oberseite sieht man Hummeln ein- und ausfliegen. Sie bestäuben über die ganze Tomatensaison hinweg die Tomatenblüten. Und dass diese kleinen Helfer gute Arbeit verrichten, kann man am üppigen Fruchtstand ablesen.

Die Gruppe zieht nun durch die anderen Gewächshäuser, vorbei an Paprika, Gurken, Auberginen und Zucchini wieder ins Freiland zu den Kräuter- und Blumenbeeten. Einige Besucher ernten noch Gemüse und Kräuter oder pflücken sich einen bunten Sommerblumenstrauß, andere machen sich auf den Weg zurück ins Wirtschaftsgebäude, wo Tomatenpizza und Tomatensuppe darauf warten, verspeist zu werden. Bei Kaffee und Gebäck tauschen die Besucher Erfahrungen und Ratschläge aus, während die nächste Gruppe sich auf den Weg, macht diese Tomatenidylle unter sachkundiger Führung für sich zu entdecken.